Seit drei Jahren lädt das Auswärtige Amt in Berlin jedes Jahr drei Künstler*innen ein, einen Raum auf dem Dach des Ministeriums als Atelier zu beziehen.

Zur Finissage des syrisch-deutschen Künstlers Manaf Halbouni am 3. Dezember gibt es Glühwein, Weißwein, Rotwein, Lebkuchen und Kekse. Entlang der nackten Betonwände des Raums auf dem Dach des Auswärtigen Amtes sind einige wenige Werke Halbounis ausgestellt. Eine Videoinstallation des Generals ist zu sehen, sowie eine große und drei kleine Landkarten mit arabischer Beschriftung. Sie alle sind Teil der Parallelwelt die der Künstler im Rahmen seiner Arbeit “What if…” erdacht hat, in der nicht der heutige Westen Kolonialmacht geworden ist, sondern zwei arabische Länder Europa willkürlich untereinander aufgeteilt haben.

Manaf Halbouni ist der neunte “AArtist in Residence”, so der Name des Stipendiums, unter dem das Auswärtige Amt jedes Jahr drei Künstler*innen in das Atelier auf dem Dach des Ministeriums einlädt. Die Künstler*innen sind entweder aus dem Ausland oder beschäftigen sich in ihrem Werk mit Auswärtigem. Das Programm findet in Kooperation mit dem Landesverband Berliner Galerien statt; wer von einer Berliner Galerie repräsentiert wird, kann sich bewerben. Weil das AA die Kunst inhaltlich nicht beeinflussen will, wählt eine Expertenjury aus dem Kunstbetrieb die Stipendiat*innen aus.

Formale Vorgabe für das Stipendium sind drei Ausstellungen vor Ort. Im Gegenzug dürfen die Künstler*innen für drei Monate den etwa 15 x 5 Meter großen Raum auf dem Dach des AA beziehen. Hinzu kommt ein Stipendium von € 2600. Dieses gilt für den gesamten Zeitraum.

Diese Förderung ist erschreckend gering. Einerseits sind Arbeitsstipendien der Stadt Berlin mit einer Höhe von € 2000 pro Monat deutlich höher. Andererseits kommt dieses Stipendium von einem Ministerium, das jährlich immerhin über die Verwendung von € 5,2 Milliarden bzw. 1.5% des deutschen Haushalts entscheidet.

Bedingungen, die alles andere als ideal sind. Weil Manaf Halbouni eigentlich nicht in Berlin wohnt, musste er vorübergehend nach Berlin ziehen und Infrastrukturen aufbauen. Weil das Geld nicht ausreichte, verkürzte er das Stipendium auf eineinhalb Monate. Yvon Chabrowski, die erste Stipendiatin 2018, musste während ihrer Residency mit anderen Projekten zusätzlich Geld verdienen. Lieferungen von Materialien müssen aus Sicherheitsgründen zwei Tage vorher angemeldet werden.

Zur Genüge vorhanden hingegen ist Interessenfreiheit. Tatsächlich scheint sich niemand im gesamten Gebäude so richtig dafür zu interessieren, was im Atelier passiert. Dadurch entsteht aber eben auch kein Austausch, kein Dialog, wie man es von einer Residency erwarten würde. Die einzigen Kontakte finden gelegentlich in der Kantine oder bei unangekündigten Besuchen zwecks Instagram-Postings statt.

Der Kunst Freiheit zu geben, bedeutet mehr, als sich nicht einzumischen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einer Institution “die unglaublich viel Arbeit produziert”, so Chabrowski, ist nicht möglich, wenn man gleichzeitig mit prekären Verhältnissen zu kämpfen hat und jeglichen Input von seiten des AA vermisst. Eigentlich sei eine Residency dazu da, eine produktive Auseinandersetzung zwischen der Künstler*in und dem Ort zu schaffen. Ein Experiment, auf das sich das Haus aber nicht einlässt. Vermutlich ist es auch diesem Umstand geschuldet, dass selten neue, im AA entstandene Werke ausgestellt werden.

Das AA lässt sich von “der Kunst auf den Kopf steigen”, beschreibt Andreas Görgen, Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation, das Programm bei Halbounis Finissage. Tatsächlich steigt aber das AA der Kunst auf den Kopf, nutzt sie als Bühne für das eigene Image. Letztendlich liegt Halbouni wohl richtig, wenn er seine Funktion dort als “intellektuellen Clown” beschreibt.